1zigartig
25. Juli 2023

53: Graf Zahl

Unser ganzes Leben wird ja irgendwie von Zahlen bestimmt: Bei unserer Geburt gibt’s direkt mal als erstes ne Steuernummer, Körpergröße, Konfektionsgröße und Gewicht spielen vom ersten Atemzug an eine Rolle, Temperatur, Datum, Uhrzeit, Noten in der Schule, der Ausbildung und sonst wo bestimmen über meine Zukunft und Möglichkeiten. Straßenverkehrs- oder Arbeitsamt: Nummer ziehen. Männer und Frauen geben sich eine 1 – 10, wenn sie von einer neuen Bekanntschaft berichten („ich hatte ein Date mit einer 10“ und so), wie viele Freunde und Follower hat man, wie viel verdienst Du, was kann ich mir leisten, wie viele Überstunden machen wir, wie viele Urlaubstage dürfen verbracht werden, wie viele Jahre sind es noch bis zur Rente, wie hoch ist die eigentlich, wie lange läufst du die 5km, ab wann ist es Fieber, falsch gemessen kann der Einbauschrank zum echten Problem werden und wer bei IKEA vorm Kauf die Kofferraummaße nicht checkt ist selber Schuld.

Zahlen geben Sicherheit, sind safe und konstant nur leider oft sehr unflexibel. Tut mir leid, null Komma irgendwas besser im Abidurchschnitt und Du hättest sofort studieren können. Mein Steuerberater schätzt es heute übrigens genauso wenig wie mein Mathelehrer früher, wenn ich das in meinem Ermessen ungefähr stimmige Ergebnis einreiche.

Graf Zahl fand ich als Kind schon hässlich und ich habe mich lange gesträubt, mich auf Google und AirBnB irgendwelchen Bewertungen auszusetzen.

Bin ich mehr Wert, wenn ich bewertet werde? Wenn ich Glück habe, ja. Tadaaaa, ich bin Superhost, mega! Und wenn dann da einer ist, dem das Kopfkissen, worauf alle anderen Gäste wunderbar schlafen, ungefällig ist, tja dann hauts die ganze tolle 5 – Sterne – Gesamtbewertung als Gastgeberin einfach mal so auseinander. Ohne Vorwarnung. Wäre das mein persönlicher Maßstab würde ich mir vermutlich was antun – wegen einem Kopfkissen wohl gemerkt.

Krass ist ja auch der Ausdruck Minusmensch, habe ich neulich von deutlich jüngeren Menschen gehört. Bemerkenswert, diese existierenden Kategorien finde ich. Auch auf dem Turnier war es damals so, dass ein 0,5 + / – über Sieg und Niederlage entschieden hat. Von Fußball und wie viele Euronen an einem geschossenen oder nicht getroffenen Tor hängen, fange ich besser gar nicht erst an, da hängen ja ganze Existenzen und manchmal Leben dran, je nachdem, welche Mannschaft es macht.

Im Krankenhaus allerdings fand ich Zahlen wirklich sehr beruhigend: „Frau Neuner, auf einer Skala von 1-10, wie groß sind ihre Schmerzen heute?“ Was für eine Wohltat, wenn ich mich heute 7 sagen hörte, wo es doch gestern noch eine 9 war.

Zahlen können also auch ganz schön viel Gutes. Zum Beispiel liebe ich ja Daten und Termine, sich zu erinnern: Geburtstage sowieso aber auch erste Begegnungstage, erste Kußtage, Kaufvertragstage, besondere Tage halt. Die machen glücklich. Und wie wäre das denn, wenn wir unsere Lebensjahre nicht zählen würden, so völlig unmessbar vor uns hinleben würden? Tag für Tag würde verrieseln und nix wäre besonders und dann wäre plötzlich der Tag „ist nicht mehr da“ da. Das wäre ja irgendwie auch komisch.

Auf ein Datum vorfreuen kann ja auch wirklich richtig was.

Wobei ich ja Werte, die man tauscht, auch ziemlich cool finde: Ich gebe Dir Kartoffeln, Du gibst mir Zucker oder so. So war das ja damals, ohne Geld. Heute fließen ja Zahlen von Konto zu Konto und dann bleibt noch ein bisschen davon gleich hier oder geht nach da. 1:1 war glaub ich ne coole Zeit. Gut, wie ich dann mein Schiff in Kartoffeln bezahlen soll, weiß ich jetzt auch nicht. Da ist das mit den Wertscheinen auch gar keine so schlechte Erfindung. Aber wenn mir dann auf dem Weg jemand meinen Geldkoffer klaut, weil er es für sich dringender braucht, ist ja auch blöd, dann ist so ein Konto schon sicherer. Ich habe ja jetzt auch eine Versicherung gegen Cyberrisk, was es alles gibt.

Ach, war das schön als malen nach Zahlen mich noch glücklich gemacht hat. Da war die Welt noch ganz bunt, Zahlen waren lieb und haben Spaß gemacht. Das sind sie und machen sie heute auch, wenn sie in meinem Sinne dort erscheinen, wo ich es mir wünsche: Auf dem Konto, der Waage und die noch vorhandene Anzahl der Schokoladenstücke zum Beispiel.

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