Ich leicht
16. Oktober 2022

13: Die Leichtigkeit

„Bist Du eigentlich immer so entspannt?“ Nein. Meine klare Antwort auf die Frage einer Kundin. Wir tauschen uns ein wenig aus und da ich mich gefragt habe, wie sie darauf kommt, erschließt sich mir ihre Ausführung als sehr logisch: Ihr Freund habe eine Sprachnachricht von mir an sie mit angehört und die Frage gestellt. Oha, wenn der wüsste… Meine professionelle Entspannung ist das Ergebnis harter, langjähriger Arbeit. Mit zahlreichen Rückschlägen und oftmals mit viiiiiel viel Zeit des inneren Ärger – Tetris und Blutgeschmack verbunden. Eigentlich hat sich meine heutige innere Haltung ganz ursprünglich mal eigenständig und unreflektiert als eine Art Überlebensstrategie entwickelt: Wenn ich nicht zur Täterin werden und im Gefängnis landen oder vielleicht Magengeschwüre und schlimmeres entwickeln will, bleibt mir nichts anderes übrig, als zu lernen, in dieser Welt zu leben. Und mit den Menschen, die da so sind. Und mit dem, was die so machen. Oder eben nicht machen.

Ich lächle in mich hinein, wenn ich daran denke, dass es meine Mutter nie so ganz leicht mit mir hatte. Die anderen auch nicht. Mein Mitgefühl mit mir selbst findet: Auch ich hatte es nicht leicht. Also einmal Mitgefühl für alle, aaaawh.

Naja, ich meine, diese Schwere kommt ja von ganz allein. Da brauchte ich mich nie anzustrengen. Gründe mich zu ärgern, wütend zu sein, auf alle, auf mich, auf einzelne und besondere gabs soweit ich mich erinnere, immer genug. Und Unverständnis. Gefühlt von der Welt zu mir. Heute würde ich sagen in beide Richtungen. Auch von mir für die Welt. Patt.

Ja und dann kamen die Pferde. Ich vergesse nie, wie Peppy, als sie noch ziemlich jung war, mich auf der Wiese anschaute, sich umdrehte und ging. Im Schritt. Keine Chance. Oh, war ich wütend! Da hatte ich schon so viel Stress und jetzt haute auch noch mein Pferd ab. Heute mache ich es auch so: Wer mir zu stressig ist, kann gerne woanders stressen. Und wieder kommen, wenn er oder sie sich entspannt hat. Als ich mich nämlich anderweitig abreagiert, sortiert und entspannt hatte, kam mein liebes Jungpferd mit gespitzten Ohren auf mich zu. Und fragte, was wir beide denn jetzt vorhätten. Freiwillig. So einfach geht das. Ich erinnere mich, als eine Mitarbeiterin Peppy „mal eben“ von der Wiese holen und zum Hufschmied bringen sollte, dass sie nach einer Stunde sehr, sehr deutlich zu mir sagte, ich solle mein Pferd jetzt bitte selber holen. Auch ich bin einen Schritt zurückgetreten, als die Vibes meiner sichtlich genervten Mitarbeiterin bei mir ankamen. Und habe Peppy dann selbst zum Schmied gebracht. Verstanden habe ich auf alle Fälle beide, meine Mitarbeiterin und Peppy.

Und nicht nur Peppy hat mir mal mehr mal weniger einfühlsam deutlich gemacht, dass es keinen Spaß macht, mit mir Zeit zu verbringen, wenn ich voller kleiner und großer Dämonen bin. Pferde spiegeln alles. Alles. Gnadenlos. Immer. Das Pferd – Dein Spiegel.

So manches Mal habe ich mich gefragt, warum die Pferde und Ponys das eigentlich mit uns machen. Was wir so mit ihnen machen. Vielleicht liegt es an der Größe des Gehirns, vielleicht an der Evolution. Vielleicht sind sie auch einfach die besten Lehrmeister*innen, die der Himmel uns geschickt hat, uns selbst zu verstehen und zu lernen. Für mich auf jeden Fall. Jeden Tag sind sie wie mein Schneider, den ich nicht habe: Sie nehmen neu Maß. Keine Schublade von gestern, heute ist ein neuer Tag. Jetzt und hier. Wer bist Du? Was machst Du? Bist Du glaubwürdig?

Dieses Ding mit der Authentizität ist mit Pferden und Ponys mindestens genauso gut erlernbar wie mit Kindern. Sie sind so gnadenlos ehrlich und so unglaublich echt, dass ich eine ganze Zeit meines Lebens lieber mit diesen Wesen Zeit verbracht habe als mit Menschen.

Vielleicht sind sie ja auch ein Art Entschädigung für alles, was sonst noch so auf dem Lebenslehrplan steht? Egal. Ich bin sehr, sehr dankbar dafür. Und die Leichtigkeit, die fordern sie von uns, unsere lieben Pferde und Ponys. Und falls wir sie mal unterwegs verloren haben, die Leichtigkeit, dann leihen sie sie uns. Denn Du sollst fliegen ohne Flügel, sagte Allah und schuf das Pferd. Steht im Koran.

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