Meine Mona
22. November 2022

19: Mein Porsche

ist leider nicht mehr bei mir. Sie war schwarz, unglaublich schnell und das schönste Pferd der Welt, meine Mona. Sie hat mir alles beigebracht, was pferd und mensch als gute Bossin so können sollte. Ihr nachfolgender Ferrari Peppy optimiert das Ganze, ich werde immer besser. Glaub ich. Und mit Peppys Sohn nun auch langsamer. Was mein Rübe für ein Geschoss ist, darüber bin ich mir noch nicht so ganz im Klaren. Kein Mustang, so viel steht fest. Auf jeden Fall ist er sehr modern, ein Pferd der next generation: Ein Energiesparmodel. Er bleibt beim Ausreiten einfach stehen und frisst, wenn er meint, dass jetzt eine Pause sinnvoll wäre. Oder isst die Blätter der Bäume beim Gehen, Picknick to go sozusagen. Und er parkt auch gerne einfach mal so, um die Landschaft zu betrachten. Oder zu überlegen, ob man jetzt wirklich weiter gehen sollte. Lohnt sich das? Sehr effizient, mein Rübe. Ich lerne auch von ihm, oh ja. Meine Stuten hatten ja immer die Idee, als erste irgendwo sein zu wollen. Der unerschütterliche Glaubenssatz meiner Peppy bis heute: Wer bremst verliert.

Neulich habe ich ein Teamcoaching moderiert. Die Chefin kenne ich etwas persönlicher, wir duzen uns quasi professionell. Und dann musste ich, nachdem ich kurz verwirrt war, echt grinsen, als sie mich fragte, wo ich denn meinen Porsche geparkt hätte. Hä?!  Ja, ihr Sohn habe doch bei mir auf dem Hof meinen Porsche gesehen. Und so kommen wir ins Plaudern.

Ich konnte klären, dass ich von meinen Eltern keinen Zucker in den Arsch geblasen bekommen habe. Das war jetzt ein Zitat von ihr, der Chefin, meiner Gesprächspartnerin. Sie dachte das nämlich. Ponyhof, 4 Pferde, Porsche, das kommt von den Eltern, ganz klar. Nee, war nicht ganz so. Genaugenommen hat mein Vater mir vorgeschlagen, ich solle ihn doch verklagen. Dann könnte das Gericht entscheiden, wie viel Geld er seiner Tochter bezahlen müsse. Es gäbe da ja Richtlinien. Er hat und hatte es ja auch nicht leicht: Es gab einige sagen wir Fehltritte seinerseits in meiner Kindheit. Seine Mutter, meine Oma, sagte damals, er sei ausgezogen, weil wir ja jetzt alle vegetarisch leben und meine Mutter schlechten Einfluss auf uns hätte. Auch eine Perspektive. Auf jeden Fall hat meine Mutter viele, viele Jobs neben ihrem Hauptjob gemacht, um unsere Wohnung zu bezahlen, unser Leben zu finanzieren und damit wir unsere Tiere behalten können. Unser Vater hat mit Abwesenheit und Krankheitsattesten geglänzt, damit er sagen wir so wenig Verantwortung wie möglich übernehmen muss. Kann man so machen. Muss man aber nicht.

Man kann auch wie die anderen Menschen unserer Familie zum Beispiel arbeiten, Verantwortung übernehmen und sein bestmögliches geben. Das habe ich dann also von den anderen meiner Sippe gelernt: Allen voran von meiner Mutter, die immer nie aufgegeben hat, egal was ist. Und wenn es heute so richtig dick doof kommt, erinnert sie mich standartmäßig an den Spruch meines ehemaligen Klassenlehrers, den wir immer Schildkröte genannt haben, weil er irgendwie so aussah wie eine, wer dabei war, weiß von wem hier die rede ist, nicht wahr? „Nicht bange machen lassen Frau Neuner.“ Hatte er nach einem Elterngespräch zu meiner Mutter gesagt. Da ist was dran, Angst machen gilt nicht.

Ach ja: Mein Opa hat es übrigens mit zocken probiert. Wenn er tatsächlich damit reich geworden ist, hat er es über sein Ableben hinaus erfolgreich vor uns verborgen. Aber er ist von Stalingrad nach Hause gelaufen, nach dem Krieg. Das muss ihm erst Mal einer nachmachen. Rubbellose, Lotto und all diese Möglichkeiten spontan reich zu werden, sind heute noch angesagt in meiner Familie. Und Pröbchen und Zückerchen und alles, was mensch so geschenkt bekommt: Immer mitnehmen. Man weiß ja nie.

Zu ganz schlechten Zeiten, sagen wir, als bei mir alles sehr schief lief und ich es auch selbst ganz schief gemacht hatte, habe ich zum ersten Mal verstanden, warum Menschen Pfandflaschen sammeln. Das ist nicht schön, wenn frau jeden jeden jeden Cent anschaut und sich fragt, was genau sie davon jetzt kauft: Das eine oder das andere lebenswichtige? Zu dieser Zeit fuhr ich einen Ford Escort Kombi, hatte mich gerade von meinem Lebensgefährten, unserer gemeinsamen Zukunft und dem Stall, in dem ich selbständig trainiert hatte, getrennt und wenn ich zum Arzt gegangen wäre, hätte ich vermutlich ein Burnout attestiert bekommen. Ich bin einfach mal nicht hingegangen, zum Arzt und habe meinen Zustand ignoriert, so gut es ging. Und neue Wege gesucht. Ich hatte da gerade so viel Geld, dass meine Tankfüllung mich zum nächsten Job gebracht hat. Neben der Reitanlage war auch eine Tankstelle. Und wenn die Kundin nicht bar bezahlt hätte, wäre ich nach Hause gelaufen. Das wäre dann ein etwas längerer Hundespaziergang gewesen.

Die Zentralverriegelung meines Autos reparieren war natürlich auch nicht drin. Deshalb habe ich immer von innen den Knopf runtergedrückt und bin zum Kofferraum ausgestiegen, wenn ich mein Auto „abschließen“ wollte. Den Kofferraum habe ich dann angelehnt, das konnte man nicht sehen, um hier auch wieder einsteigen zu können. Jaaaa… eines Tages war ich spazieren und hatte warum auch immer verpeilt, dass ich den Kofferraum nicht zufallen lassen darf. Auf einem Gehöft in der Nähe habe ich tatsächlich Menschen gefunden, die mir geholfen haben, mein eigenes Auto zu knacken. Es gibt immer eine Lösung.

Als im Winter die Batterie schwach wurde und er nicht mehr zuverlässig angesprungen ist, habe ich meinen Escort dann auf einem Berg geparkt: So konnte ich anrollen und er ist angesprungen, immer. Wenn er dann erst Mal ein paar km gefahren ist, gings für den Rest des Tages. Er hat mich nie nie nie im Stich gelassen. Da hätte mein Vater mal richtig was lernen können von so einem Auto.  Ich habe ihn dann aber am Ende umgebracht: Ich dachte bei Starkregen, das Wasser im Tunnel sei eine Pfütze. War es nicht. Wir sind abgesoffen. Ist schon ein seltsames Gefühl, wenn einem das Wasser im Auto bis zu den Knien reicht. Heute weiß ich: Den Motor dann nicht starten, auf keinen Fall. Hinterher bin ich ganz schön oft ganz schön viel schlauer. Da war der Escort aber schon tot. P.S. Mein Vater lebt.

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