Helferinnensyndrom
30. April 2023

41: Helfer:innensyndrom

Als  ich in der vierten Klasse die Fahrradprüfung absolvieren wollte / sollte wäre ich beinahe gescheitert: Wenn also jetzt der von da und der von da und der so und die Ampel so und der Zebrastreifen so und so weiter. Hier bin ich und wer kommt von da? Was bedeutet das für mich? Fahren oder halten? Im Zweifel immer bremsen sage ich meinen lieben Reiter:innen immer, wenn sie die Bahnfiguren beim reiten nicht so auf dem Schirm haben und alle gleichzeitig in die gleiche Richtung ausweichen, was dann eine allgemein lustige Situation hervorruft.

Und wie ist das im richtigen Leben? Wenn ich immer auf alle und alles schaue und immer abwäge und dann überlege was auf wen wie für welche Auswirkungen hat, falle ich auf jeden Fall durch den langedurchhalte Test, da wird man nämlich dann verrückt. Auf wen also achten? Die Schwachen? Die Starken? Oder einfach sich selbst?

Gut gemeint ist ja dann aber auch nicht immer gut gemacht. Da habe ich mal die Idee gehabt, jemandem einfach so etwas weiterzugeben. Hatte er nicht wirklich explizit nachgefragt, hatte sich im Gespräch so ergeben. Dieser jenige hatte danach wochenlang mit seinen Gedanken zu tun. Oh je, einen Coachingtermin hätte er sich vermutlich nicht bei mir geholt, das war eindeutig zu viel des gut Gemeinten. Im privaten Gespräch bei einer Feierlichkeit war er so eifrig, da hatte ich tatsächlich übersehen, dass er mit den Folgen nicht so ganz gut alleine klarkommt. Anfängerinnenfehler meinerseits. Ganz damals. Zu motiviert, zu doll die Idee, meinen Reichtum zu verschenken. Hab ich danach nie wieder gemacht. Die Maxime „Ich beantworte nur Fragen, die mir laut gestellt werden“ ist seither mein Credo.

Ich höre oft Fragen, die der Kopf, die Seele, das Herz meines Gegenübers stellen. Das ist dann gut, wenn die Menschen dabei begleitet werden wollen und sich freuen, wenn ich vorübergehend dolmetsche. Zwischen Kopf und Körper, Verstand und Gefühl, Hirn und Herz. Und Seele. Also wenn sie mir offiziell den Auftrag dazu erteilt haben. Das war in dem Fall aber damals eben nicht so: Er wusste gar nicht, dass er diese Fragen hat, mein Gesprächspartner und musste nun mit all den Antworten, die sich in unserem Gespräch entwickelt haben, klarkommen. Er hat sich tatsächlich später bei mir bedankt. Es war mir eine Freude, gern geschehen, mache ich aber trotzdem nicht mehr, mein Credo steht.

Und so arbeite ich irgendwie immer zu viel und schlafe zu wenig und bin glücklich dabei. Weil es mich glücklich macht anderen Menschen zu helfen, sie leuchten zu sehen, zu erleben, wie jemand aus seinem verwirrten verknäulten Wollknäuel einen roten Faden spinnt. Zu erleben, wie jemand aus seinem schwarzen Loch oder aus seiner Höhle oder unter seiner muffigen Wolldecke hervorkriecht. Zu spüren, dass Hoffnung da ist. Freiheit wachsen zu sehen, zu erleben, wie Mut sich ausbreitet. Und wächst. Und größer wird. Und sich zu Erfolg entwickelt. Egal bei was.

So ein gepflegtes Helfer:innensyndrom kann man sich ruhig leisten finde ich. Glück verdoppelt sich, wenn man es teilt. Man muss nur drauf achten, dass das eigene Glück sich nicht halbiert oder viertelt oder ganz verschwindet vor lauter helfen. Das habe ich ganz ganz damals und viel zu lange ziemlich oft gemacht. Und dann: Schwupps, keine Zeit mehr für mich, für das, was auch wichtig ist. Weil dann verschwindet man ja irgendwie auch selbst. Und das wäre schade. Denn dann kann man ja wirklich nicht mehr helfen.

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