Das hatte sie sich wirklich anders vorgestellt, die Seminarteilnehmerin. Und stand auf und ging. Rumms. Ehrlich gesagt wusste ich damals nicht so ganz genau wie mir und was hier gerade geschieht. Auf jeden Fall hat es Ihr nicht gefallen. Dass ich nicht gemacht habe, was sie wollte.
Gestern erzählte mir eine Seminarteilnehmerin im Anschluss an die Veranstaltung, dass sie etwas ganz anderes erwartet hätte. Und sie sich das alles schon so ausgemalt hatte. Und dann war es so wie es jetzt war. Aber auch sehr gut. Glück gehabt.
Da wandern wir so durch unser Leben und haben lauter Vorstellungen und Erwartungen davon, wie jemand sein soll. Oder wie etwas verlaufen soll. Und wenn das dann nicht so ist, sind wir enttäuscht.
Ja liegt denn da nicht dann immer auch eine Selbsttäuschung zugrunde? Also ich meine, wenn ich mir jetzt etwas ausdenke, wie es bestimmt sein wird und mir das in allen Farben und Formen ausmale oder wie jemand ist und sich verhält, weil ich zum Beispiel aufgrund einiger Ähnlichkeiten aus meinem Erleben schließe, dass er oder sie denkt und fühlt wie ich, weil das muss ja jetzt so sein, weil sie ja auch zum Beispiel vegan lebt, dann ist sie ja ganz klar automatisch auch so und so und so weil Verganer:innen immer so sind. Nee, bin ich glaub ich nicht, „so“ meine ich. Ich habe ja jetzt zum Beispiel einen Pferdehof. Das ist für viele Veganer:innen ein no go. Wenn ich sie nicht einfach nur rette und schütze, die Pferde. Wir reiten mit den Pferden und mein Ponymann ist der beste Mitarbeitende überhaupt, bei uns arbeiten alle Tiere, außer die Katze, die hat da andere Vorstellungen.
Da werden bestimmte Merkmale wahrgenommen oder bestimmte Etiketten also zum Beispiel der fährt ein dickes Auto dann hat der auch Geld. Vielleicht hat er gerade keins mehr, weil er das dicke Auto fährt? Wie auch immer, da werden Rückschlüsse aus der eigenen Vorstellung und Phantasie gezogen und da kommt man dann automatisch auf die Idee, wie das Gegenüber bestimmt ist. Weil ich ja auch so bin und so fühle und so denke.
Das führt ja nicht nur zum Gefühl von Enttäuschung. Das macht ja auch, dass wir der Situation oder der Person schon vorher etwas verpassen, wo diese dann drauf trifft. Also wenn ich jetzt zum Beispiel davon ausgehe, dass jemand aufgrund seiner Art arrogant ist und ihr dann auch so begegne, gehört da schon eine ganze Menge dazu, eben nicht auf die Vorstellung zu reagieren, die jemand anders einem entgegenbringt. Wie oft habe ich schon gehört, dass ich ja „doch ganz nett bin“?
Es gibt ja andersrum Menschen, die schieben so eine Energie von Wohlwollen und Liebe vor sich her, dass sie einfach immer und überall gemocht werden und ihnen alle Türen offenstehen. Ja und wenn diese Personen dann plötzlich „nein“ zu was auch immer sagen, habe ich nicht selten überraschte bis erstaunte bis entsetzte Gesichter in deren Umfeld gesehen. Nein ist ja ein ganzer Satz, der zu akzeptieren ist. Aber von dieser Person? Also das hätte ich von dieser Person wirklich nicht erwartet, wie kann sie nur? Das ist ja jetzt egoistisch. Echt? Ist es das?
Hätte die Seminarteilnehmerin die Ausschreibung gelesen und bei Unsicherheiten vorher gefragt, hätte sie einfach gar nicht teilgenommen. Und die Enttäuschung wäre uns beiden erspart geblieben. Sie dachte nämlich, es geht um Pferdetraining, das haben wir dann herausgefunden, später. Dabei ging es um Menschen und die Pferde haben die Menschen unterstützt. Und trainiert. Wie man einem Pferd beibringt, dass es bitte seitwärts gehen soll, stand für dieses Seminar wirklich nicht auf der Agenda. Nun, sie dachte, Christine und Pferde, das wird sie mir dann da schon beibringen, die Christine, wie das geht, mit dem Seitwärts. Ich habe ihr gesagt, dass ich das sehr gerne mache, zu einem anderen Zeitpunkt, dass das hier heute nicht in unser Seminar passe, es ging ja um ganz andere Dinge. Vorstellung und Erwartung nicht erfüllt.
Die Einzige, die jedes Mal neu Maß nimmt, ist wohl meine Schneiderin. Sehr empfehlenswert. Und beugt Enttäuschungen vor. Da ist dann nix zu klein und nix zu groß. Dann ist es so wie es ist. Jetzt. In diesem Moment. Machen Pferde übrigens auch, uns jetzt und heute so sehen, wie wir gerade sind. Fühlt sich sehr sehr gut an.