Nichts. Weite. Stille. 5km bis zum nächsten Dorf. Es ist 1998 und ich bin im wilden Osten. So lautete die Stellenausschreibung in einer Reiterzeitschrift: Der wilde Osten ruft. Ich bin ihm gefolgt, dem Ruf. Und lebe und arbeite hier irgendwo im nirgendwo. Wenn ich telefonieren möchte, muss ich von dem von mir bewohnten Bauwagen zum Küchenwagen, in dem sich auch das Büro befindet. Ein Festnetz. So fest, dass ich am Tisch sitzen bleiben muss, wenn ich telefoniere. Hier kommen auch Faxe an. Meine Tante ist eine sehr talentierte Faxschreiberin. Sie verschickt auch Briefe, aber ihre Faxe sind legendär: Sie verbrauchen ca. eine Rolle, meine Tante schreibt nämlich sehr leserlich. Und ich freue mich immer sehr über Post, egal in welcher Variation. Am Hofeingang hängt eine große, alte Milchkanne mit einem Holzbrett darin für die Briefpost. Und für kleine Päckchen. Der Briefkasten fühlt sich immer ganz warm an, wenn schöne Post darin ist. Zu dieser Zeit bekomme ich tatsächlich nur schöne Post. Das Finanzamt und andere institutionelle Einrichtungen waren an mir kleinen Praktikantin zu dieser Zeit noch nicht so wirklich interessiert.
Wenn heute unser Briefkasten warm ist, freue ich mich immer noch genauso wie früher: Schöne Post ist immer schön, egal ob aus Panama oder von sonst woher. Dabei haben sich ja die Postfächer echt vervielfacht: Emails, WattsApp, messenger, telegram, die gute alte sms, mms gibt’s gar nicht mehr, oder? Airbnb, zoom, instagram, facebook, ebay, Zahlungsdienste, teams und wen ich da sonst noch so vergessen habe, bitte ich um Nachsicht, ich habe die Übersicht verloren. Ständig macht es ping oder mein Display leuchtet, wenn ich mein Smartphone nicht auf lautlos stelle. Oder die Einstellung so wähle, dass ich es nur sehen kann, wenn ich die App öffne. Aber das ist irgendwie auch doof.
Wie oft bin ich früher also ganz damals, noch vor dem wilden Osten, mit dem Fahrrad nach Hause gehetzt, um den AB abzuhören, den hatten wir nämlich schon, um organisatorische Informationen zu erhalten. Oder mich von Strippe zu Strippe auszutauschen. Wir hatten ja so ein Telefon mit Kabel. Damit musste ich dann im Erker sitzen, wenn ich telefoniert habe. Und damit nicht jede alles mithören kann, habe ich dann die Schiebetüren geschlossen. Immerhin besser, als im Wohnzimmer auf dem Präsentierteller wichtige persönliche Angelegenheiten zu besprechen.
Und da saß ich dann. Weißt Du noch? Wenn dann jemand angerufen hat, war einfach besetzt. Das konnte einen am anderen Ende des Besetztzeichens natürlich ganz schön verrückt machen. Und überhaupt der absolute Kick: Frau wusste niemals, wirklich niemals, wer am anderen Ende der Leitung ist, bevor sie den Hörer abgehoben hat. Was für ein Thrill!
Neulich war ja WattsApp außer Gefecht. Das war ein sehr ruhiger Vormittag. Und gestern dachte ich erst, es sei wieder was mit dem Anbieter: War aber gar nicht, war einfach so ziemliche Ruhe, auch auf dem Hof. Da fragen wir uns dann schon, ob wir vielleicht von der Welt was nicht mitbekommen haben, hier, im anderen nirgendwo.
Und dann merke ich, wie viel ich jeden Tag an Informationen bekomme. Und dann wundert es mich nicht, dass manchmal wenig Reaktion auf manche Nachricht oder E-Mail von mir kommt. Wer soll denn das alles bewältigen? Ich glaube, wir sind alle ganz schön overload. Und auch ein bisschen abgestumpft. Ich meine, wenn ich früher also damals jemanden angerufen habe, um etwas zu sagen oder persönlich vor ihr oder ihm stand, war nicht reagieren ja schon eine echte Kunst. Heute vergisst mensch halt zu antworten oder es ist einfach keine Reaktionskapazität mehr vorhanden, Reaktionsdatenvolumen aufgebraucht, weil alles viel zu viel zu viel ist. Kenn ick.
Und so sende ich dann lustig vor mich hin und freue mich über jede persönliche Re – Aktion. Ein fettes liebes warmes DANKE an alle, die mir ihre wertvolle LebensZeit also quasi ihre Aufmerksamkeit und ihr ganz persönlich menschliches Datenvolumen schenken. Und wenn ich dann auch noch als Himbeere on top eine Rückmeldung bekomme, ist mein Herzensbriefkasten immer ganz warm, soooo schön!