Hin und wieder erwische ich mich ja dabei, dass ich so vor mich hin motze: Da ist dies noch nicht gemacht und das wollte ich noch und überhaupt und sowieso. Und dann breitet sich ja so ein Gefühl von Mangel und Unzulänglichkeit aus. Nicht schön. Kann motivierend sein, etwas in Bewegung zu setzen, klar, Unzufriedenheit als Motor und so. Kann aber auch ganz schön nervig sein, weil unnötig. Und verbarrikadiert ja auch irgendwie die Sicht. Auf das, was nämlich alles da ist. Und gut ist. Und was ich alles schon so gemacht habe. Ich meine, nach oben ist ja immer Platz, egal, was mensch da im Leben schon so erreicht und bewegt hat. Am besten sowieso sich selbst.
Und wenn ich mir dann erlaube da mal genauer hinzugucken, auf das Gute jetzt, dann entdecke ich so kleine Lichtstreifen am Horizont in meinem Motzuniversum. Hier blitzt zum Beispiel auf, wenn ich privat vor mich hinmotze, dass ich ja mal so gaaaanz andere Beziehungen hatte. Welche, die ich heute sagen wir so ganz sicher nicht mehr leben möchte. Und dass ich heute privat und beruflich mit Menschen verbunden bin, die auch echt und ehrlich mit mir verbunden sind.
Zum Beispiel der Mann an meiner Seite. An Motztagen oder in Motzmomenten ist er ganz besonders besonders: Er hält das nicht nur aus, er liebt mich einfach so weiter. Bedingungslos. Was für ein Geschenk. Ich habe dann das Gefühl, dass es ihm eher leidtut, dass ich mich so mit mir selbst herumquäle. Wobei er die Nichtmotztage mit mir bestimmt besser findet.
Oder mein Hund. Der ist ganz besonders lieb und aufmerksam an Motztagen, wobei er das eigentlich sowieso immer ist. Aber dann eben noch besonderer.
Und dann schaue ich mich so um und muss auch manchmal über mich lachen: Ich habe so ziemlich alles in meinem Leben, was ich mir immer gewünscht habe. Und vor lauter, was alles noch soll und muss und kann, vergesse ich das einfach.
Irgendwann irgendwo in meinem Motzflow merke ich das dann meistens. Wie undankbar! Echt ey. Und dann starte ich eine Dankbarkeitslawine: Ich bin sehr dankbar für mein Leben, meine Gesundheit, meine Beziehungen, meinen Beruf, meine Tiere, (…) und dann zähle ich alles alles alles und jede:n auf, wofür und für wen ich so dankbar bin. Wird dann mit der Zeit immer detaillierter, je länger ich so vor mich hin dankbare.
Und dann ist es irgendwann nicht mehr nur das große Allgemeine, dann fallen mir ganz wunderbare Ereignisse wieder ein und Momente und besondere Umstände und Empfindungen und so. Und je länger das dauert, desto besser erinnere ich mich, dass mein Leben ganz schön schön ist. Das ist dann wie so eine Tür, die sich öffnet. Die war dann wohl mal wieder blockiert, Scharnier verrostet oder klemmig, quietscht dann etwas, kann vorkommen. Und je weiter sie aufsteht, die Tür, desto besser wird meine Stimmung. Die hebt sich. Spürbar. Gäbe es ein Dankbarkeitsmessgerät, holla!
Und desto absurder wird es dann aber auch, dass ich gerade noch motzig war. Weil bei so viel Schönem und Wunderbarem und glücklich Machendem in meinem Leben ist das, was nervt doch eigentlich peanuts. Weil es so viel gibt, was das Herz ganz warm und weit und offen sein lässt. Dann ist für Motzablagerungen so gar kein Platz mehr. Wenn das Herz irgendwann überquillt vor Dankbarkeit und Fülle und Glück.
Funktioniert bei mir übrigens auch in Situationen, wo mir Menschen auf die Nerven gehen. Ich bin ziemlich leicht ziemlich genervt. Und auch wenn das bei meinem Lebensstil eher nicht zu vermuten ist, bin ich eher so der Typ einsame Insel. Wobei mir das ja jetzt dann auch wieder zu langweilig wäre.
Und wenn ich dann da also wieder mal genervt bin, von wem oder was auch immer, überlege ich mir, was diese Person oder dieses Tier oder dieses Ding schon alles Gutes gemacht oder gebracht oder genutzt hat und was für tolle Eigenschaften sie also, wenn es eine Person ist oder es, wenn es ein Tier ist, hat, und was ich auch schon alles für gute Gefühle mit ihr oder ihm hatte. Und dann ist das, was gerade nervt plötzlich nur noch ein kleiner nerviger schrömmeliger Punkt in einem Feld von guten Gefühlen. Klappt immer.
Und bei mir selbst funktioniert das übrigens auch ganz gut: Wenn ich mir so richtig auf die Nerven gehe, zum Beispiel weil ich gerade eine Motzlawine habe, überlege ich mir, was ich denn alles so mache und kann und bin, wenn ich mich gerade nicht doof finde. Und dann werde ich ganz schön dankbar. Und es bleibt nur noch ein kleiner doofer Punkt zurück.
Zur Erinnerung als Anker oder als Brücke von der Motzlawine zur Dankbarkeitslawine sozusagen habe ich mir ein Stück Liebe in meinem Herzen gebunkert, ganz hinten linkes, für schlechte Zeiten quasi. Die fließt dann los, die Reserve, wenn mal wieder der Zeiger auf Rot steht.
Dafür bin ich sehr sehr dankbar.