lzf-ruebe-fohlen
5. Juli 2022

02: Rübe

Es ist der 19.11.2018. Ich sitze in der Nähe vom Trierer Viehmarkt und blicke aus dem Fenster auf die Kirche nebenan. Die Welt steht still. So wie im Film: Alles ist eingefroren, nichts bewegt sich mehr. Nur ich kann weiter atmen, denken und irgendwas machen. Auf der anderen Seite des Tisches sitzt Pocahontas. So nenne ich meine Bankerin, weil sie mich an sie erinnert. Und weil ich den Song von AnnenMayKantereit zur Zeit immer und immer und immer wieder höre, da passt das gut zusammen. Pocahontas hat mir gerade vorgeschlagen, die Darlehensverträge zu unterschreiben, weil ja jetzt alles geklärt ist. Und jetzt steht die Zeit still. Alle sind still. Alles ist still. Alle schauen auf die Leinwand und warten, was ich jetzt mache. Ich denke gerade darüber nach, dass sich so heiraten anfühlen muss. Und ich verstehe plötzlich, warum Menschen aufstehen und nicht heiraten. Obwohl sie es ganz doll wollen. Und sich lieben. Und miteinander alt werden wollen und so. Weil sich dann das ganze Leben ändert. Alles, was man sich vorher so sehr gewünscht hat, ist also nun da. Tadaaaa: Serviert und angerichtet. Fertig verspeist zu werden. Und man steht auf und sagt: Ich möchte doch lieber ein anderes Gericht, ich hab mich gerade umentschieden. Ok, ich will nicht heiraten. Nur einen Hof kaufen. So unglaublich viele Jahre habe ich dafür gearbeitet. Daran herumgeplant. So viele Hürden genommen. Und Dinge in Bewegung gesetzt, die eigentlich unbeweglich sind. Und es geschafft. Und jetzt also sitze ich hier und verstehe, warum man auf die Frage: „Willst Du diese Person heiraten?“, die man ja unbedingt heiraten will, mit „nein“ antwortet. Verrückt.

„Natürlich machen wir das.“ Bitte was ist das jetzt?! „Wer spricht da?“ „Hier ist Rübe.“ „Wer bitte ist Rübe?“ Es lacht. Und ich sehe vor meinem inneren Auge das Fohlen im Bauch meiner Peppy. Seit ganz vielen Jahren wünschen Peppy und ich uns ein Fohlen. Sie, weil sie eine Stute mit Hormonen ist und ich, weil ich unbedingt eine Ablegerin von Peppy aufwachsen sehen möchte. Ich habe immer darauf gewartet, die richtige Umgebung zu finden. Der richtige Papa stand schon lange fest. Wunderhübsch mit viel Wallamähne, eher klein, damit ich im Alter noch entspannt ohne Aufstiegshilfe in den Sattel steigen kann. Seine Nachkommen haben alle einen guten Charakter und er ist eher faul. In der Anpaarung mit meinem Peppyferrari könnte da idealerweise ein nervenstarker kleiner Flitzer mit Entspannungsmodus bei rauskommen. Wünscht sich die Züchterin in mir. Immer nur auf der Überholspur und vorne muss ich nicht mehr haben.

Und dann hab ich Peppy einfach zu ihm in den Liebesurlaub gebracht. Rübe ist also ein Kind der Liebe. Und ein geliebtes Kind. Und da ich ja mein Fohlen auf meinem Hof großziehen wollte, damit meine Ausbildung als Pferdewirtin Zucht und Haltung vor vielen vielen Jahren auch mal einen nachhaltigen Sinn ergibt und ich nicht immer nur die Besserwisserin als Pensionsgästin in irgendwelchen Reitställen zum Leid der Hofbesitzer*innen bin, muss ja dann logischerweise auch der Hof zu mir kommen, damit Rübe dort geboren werden kann. Hat funktioniert. Genauso wie die (fast) Millionen. Ich war mir immer sicher: Die fällt vom Himmel. In meiner Familie ist es üblich zu versuchen sie mit Lotto oder auf der Rennbahn zu erzocken, ich dachte, ich arbeite einfach mal daran und dafür. „Wo soll die denn herkommen? Wie soll das denn gehen? Du bist verrückt!“ Ja, danke, dass ich verrückt bin, wissen wir. Deswegen geht das ja auch mit der Millionen. Mein Freund, der das zu mir gesagt hat, ist jetzt mein Ex und ich mache das von nun an alleine. Mit dem Universum. Das ist nämlich freundlich und immer und überall und hilft mir. Ok, nicht immer so wie ich mir das vorstelle und wenn es das alles zu meinem höchsten Wohl macht, frage ich mich schon, was das Universum manchmal für eine Vorstellung vom höchsten Wohl hat. Aber bis jetzt hat es immer funktioniert. Am Ende. Nicht nur Gottes Wege sind unergründlich, auch sein Chef, das Universum, hat das drauf.

Pocahontas ist aufgetaut und ich bin also nun komplett irre. Ich mache Tierkommunikation, arbeite schamanisch und habe schon viel erlebt, was es eigentlich gar nicht gibt. Aber dass ich so von innen angequatscht werde, ohne danach gefragt zu haben, das ist neu. Wenn Rübe also sagt wir machen das jetzt dann mach ich das jetzt. Für uns. Und unterschreibe.
Der Weg ist frei. Wir haben ihn frei gemacht, Rübe und ich. Und die Bank. Es kann losgehen.

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