Vor einigen Jahren hat ein Kunde mich so dermaßen nicht verstehen wollen, dass ich sehr sehr sehr deutlich geworden bin. Es ging um ihn und sein Pferd und wir hatten bereits einige Zeit miteinander gearbeitet, einige Woche und Monate vielleicht auch Jahre. Ich wurde so deutlich, dass ich wahrscheinlich, wenn ich er gewesen wäre, nie wieder ein Wort mit mir geredet hätte. Zumindest erst mal nicht.
Er kam dreißig Minuten später total entspannt und lächelnd zu mir in die Reithalle und bedankte sich bei mir. Er hätte jetzt verstanden, was ich ihm sagen wolle. Ich war ernsthaft verblüfft.
Ich arbeitete eine Zeitlang auf einem Hof, auf dem sich die Besitzerin und der Besitzer nebst ihren Kindern immer ziemlich lautstark verständigten. Genaugenommen brüllten sie regelmäßig quer über das Gelände. Nicht immer, das gewiss nicht, aber doch schon sehr oft. Ich glaube täglich. Wie dem auch sein: Es gab dann, wer hätte das gedacht, auch zwischen uns diverse Unstimmigkeiten und Missverständnisse. Ich machte meinerseits darauf aufmerksam, wies darauf hin, sprach Dinge an, wie ich das eben so mache. Und dann warte ich, denn mein Gegenüber braucht ja auch Zeit für die Veränderung und Umsetzung, wenn es die denn möchte. Dann gab es einen so großen, unübersehbaren, fiesen, miesen Konflikt, dass ich mich entschied, nicht mehr dort arbeiten zu wollen. Und teilte mit, dass ich nicht mehr zur Verfügung stehe. Da wurde ich ernsthaft gefragt, warum ich denn nie was gesagt hätte… es hat etwas gedauert, bis mir irgendwann ein ganzer Kronleuchter aufging: Na klar, die haben meine Worte gar nicht ernst genommen. Ich hatte ja nicht gebrüllt.
Mein Hund zeigt immer kurz seine Zähne, genaugenommen seinen einen spitzen Eckzahn und macht ein leises Geräusch, das wohl als knurren interpretiert werden kann, bevor es ihm wirklich zu bunt wird. Wenn er kann, geht er einfach weg. Und steht nicht mehr zur Verfügung.
Ich stehe auch seit einer Weile nicht mehr zur Verfügung. Das ist jetzt für manche eher unbequem, wenn ich die Erwartungen und Vorstellungen, die da so an mich gerichtet werden, nicht erfülle. Da beginnt man miteinander unterwegs zu sein und zu machen und alle freuen sich und nicken und sind einer Meinung – denken sie. Und dann stellt sich heraus, dass jede:r was ganz anderes gesagt oder gemeint oder umgesetzt hat. Das ist dann natürlich ganz schön enttäuschend. So einer Enttäuschung liegt ja aber irgendwie immer auch eine Art Selbsttäuschung zugrunde.
Wenn ich also jetzt nur so als Beispiel zum Beispiel sage, dass ich reite. Dann blitzen ja bei verschiedenen Leuten verschiedene Bilder auf: Voll die Frau mit Reithose und schicken Stiefeln (Realitätsabgleich: Matschige Gummistiefel sind derzeit meine Hauptarbeitskleidung, Heu als Deko im Haar tragen nicht nur meine Pferde und eine Reithose besitze ich seit 1998 nicht mehr). Voll die Amazone, die am Strand entlang galoppiert (habe ich auch schon ein einziges Mal in meinem Leben gemacht). Voll die Tierquälerin (meine Pferde kommen alle freiwillig freudig und brummelnd auf der Wiese zu mir und Rübi ist ziemlich aufdringlich, wenn es um gemeinsame Arbeit geht, er will wirklich immer mit). Voll die Reiche (oh ja, ich bin sehr reich: An Erfahrung, voller Geschichten und Liebe und besitze eine Menge gemeinsam mit der Bank, die diese Perspektive hoffentlich so mit mir teilt)… und voll die was weiß ich nicht noch alles.
Ich habe auch schon zwei Mal in meinem Leben gehört, ich sei eine Scheißfreundin. Weil ich nämlich nicht so mache, wie es gewünscht ist so mit regelmäßig anrufen und immer Probleme besprechen und Zeit haben und so. Meine echte beste Freundin hat einfach keine Erwartungen an mich. Ich liebe sie dafür. Eigentlich machen es doch Schneider immer richtig: Sie nehmen immer aufs Neue Maß, wenn sie etwas neu produzieren wollen. Weil wir uns verändern. Und das ja nicht nur physisch.
Ich bin ja auch eigentlich gar nicht so kompliziert. Nur etwas labyrinthisch. Und ich glaube, wenn ich allen gefalle, mit dem was ich so mache und wie ich so bin und allen Erwartungen entspreche, habe ich auf jeden Fall eine unterwegs vergessen. Nee, dafür stehe ich wirklich nicht mehr zur Verfügung.