Ich wollte ja nie Katzen haben. Jetzt bin ich auf dem Weg zum Tierarzt und hoffe so so so sehr, dass meine Katzenmamahypochonderbefürchtung nicht eintritt und meine kleine Katze, die mit ihren fast achtzehn Jahren schon ganz schön alt geworden ist, sehr krank und zum Sterben geweiht ist.
Ist sie nicht: Sie hat eine Schilddrüsenüberfunktion, die ihre Beschwerden hervorruft. Details lasse ich jetzt mal weg. Es sei nur so viel gesagt: Putzen gehört zu meinen eher unfreiwilligen Hobbies, besonders nachts.
Die beste Nachtputzaktion (Nacht, nicht nackt, das hast Du richtig gelesen) habe ich einmal durch meinen Lieblingskater erlebt: Ich bin davon wach geworden, dass es unter dem Bett seltsam grunzte, miaute, knurrte, schnurrte und ahnte bereits böses. Der Boss hatte sich eine Taube mit nach Hause gebracht und fand den Platz unterm Bett perfekt, um sie zu verspeisen. So eine Taube hat ganz schön viele Federn. Und Blut, Blut auch. Nun, danach haben wir die Terrassentür nachts geschlossen, Zugang nur noch mit Autorisation nach vorheriger Leibesvisitation.
Jodie bringt ja die Vögel und Mäuse, die es nicht schaffen sich vor ihr in Sicherheit zu bringen, lebend mit nach Hause. Und ist dann zutiefst beleidigt, wenn ich sie wieder frei lasse. Ich verstehe ihre Geschenke einfach nicht. Tut mir leid kleine Katze.
Der Boss ist ja damals einfach bei mir eingezogen. Trotz katzenjagendem Dobermann – Rottweiler – Mischling und einer Schäferhund – Mix – Hündin, die zu dieser Zeit bei uns wohnten und auf ihrer Couch lagen und nicht glauben konnten, dass dieser rote Kater da vor ihnen durchs Haus spaziert. Wie er sie genau überzeugt hat, weiß ich bis heute nicht. Vermutlich hat er schon damals das große Bild im Löwenzimmer als sein Portrait betrachtet und Sam und Lucy sind seiner Selbstwahrnehmung aufgesessen. Er war der Meister, ein ganz großer. Immer. Überall.
Jodie macht, was sie will, macht nicht was sie nicht will, haut, kratzt, beißt willkürlich und ich glaube, auch weil ich sie mit der Flasche aufgezogen habe, gehört ihr die Welt. Neulich im Buch von Hape Kerkeling habe ich gelesen, dass ich eigentlich für ihr Sozialverhalten verantwortlich bin. Nun ja. Sagen wir: Die Kinder streicheln sie jetzt auch ohne Motorradhelm und Skihandschuhe. Allerdings chillen sie sehr still und ruhig auf der Couch, wenn die kleine Katze auf ihnen liegt.
Auf wem die Katze liegt, der kann ja auch gerade nicht helfen. Tisch decken oder so. Dann ist die kleine Katze immer sehr beliebt, wenn etwas zu tun ist. Wenn es um Katzenkotze wegmachen oder so geht bin natürlich ich die Katzenmama. So läuft das.
Ich bin ja sehr sehr dankbar, dass meine Tiere heute alle so alt werden und geworden sind. Und zum Sterben ist ja irgendwie jeder Zeitpunkt ungünstig. Aber jetzt ist die Erde gefroren, ich bin eh gerade ein bisschen empfindlich und überhaupt, kann ich mir ein Leben ohne Jodie echt noch nicht vorstellen. Seit fast achtzehn Jahren suche ich sie, weil sie ja immer mal verschwindet und dann in Schubladen, alten Kaminen oder auch am Dorfrand verloren geht. Ich finde sie immer. Das weiß sie. Und darauf vertraut sie. Meine kleine Katze.
Als wir nach 1,5 Stunden die Tierarztpraxis verlassen, bin ich seeeehr über die Diagnose erleichtert: Gerne lasse ich mich dafür hauen, wenn ich ihr nun zwei Mal täglich ihr Medikament gebe. Und nur mal angenommen, ich komme noch mal wieder, auf diese Erde, werde ich glaube ich auch mal meine Katze: Egal, was ich dann mache, ich werde geliebt, bedingungslos.
Sie macht das auch, zumindest fühlt es sich so an: Keine schenkt mir so ein uneingeschränktes Vertrauen wie diese kleine Katze. Das habe ich tatsächlich von ihr gelernt: Vertrauen. Deine Katze Dein Coach. Einfach mal sensibel sein. Und unlogisch. Und launisch. Und kuschelig. Und jetzt aber wieder nicht. Und Aufmerksamkeit wollen. Aber doch nicht so. Jedenfalls nicht jetzt. Vielleicht später. Oder morgen. Während ich bei minus fünf Grad draußen stehend die Tür aufhalte und darauf warte, dass sie sich entscheidet: Raus oder rein? Sie weiß es einfach nicht. Und überlegt noch. Das ist ja auch wirklich nicht einfach. So eine Entscheidung. Und überhaupt: Man muss nur jemanden finden, der einen so liebt, wie man ist. Egal ob als Katze oder als Mensch.