Lucky Lucky
2. Oktober 2022

11: Unter die Haut

1998 „I would like to live on a farm with animals like horses and ponies and dogs and cats.“ Meine Antwort auf die Frage meines Englischlehrers in der mündlichen Abiprüfung, was ich denn später in meinem Leben so vorhabe. Und dann habe ich erzählt und erzählt und erzählt – warum hatte ich eigentlich jemals Angst vorm mündlichen Abi? Es war großartig, hat Spaß gemacht und sie haben mich dann rausgeschmissen. Mit einer eins. Yess. Fairerweise muss ich sagen eins minus. Weil: Ich konnte ein paar Daten nicht aus der Lektüre, zu der ich ebenfalls talken musste, dann aber eben nicht frei nach Schnauze, sondern faktenbezogen. Das hat Punkte gekostet. Ich war wohl in der Abivorbereitungszeit lieber mit horses and ponies und meinem dog beschäftigt, als Daten und Fakten zu lernen.

2022 I live on my farm with my horses and my ponies and my dog and my cat. Der andere dog und die andere cat durfte ich unter meiner Lieblingsmagnolie begraben. Das war einer meiner großen Wünsche: Einen Platz zu finden, an dem ich meine geliebten Tiere begraben kann. Die wurden ja zunehmend älter. Als wir dann tatsächlich eines Tages das erste Loch ausheben mussten fragten die Kinder, ob wir Lucky später auch hier begraben. Das Pony. Nein, liebe Kinder. Eigentlich mache ich mich glaube ich bereits strafbar, wenn ich meine Lieblingshündin und meinen Lieblingskater hier beisetze. Bei Ponies ist dann da wohl doch eine Grenze. Und wer bitte soll das Loch graben??

Ich bin ja 15-mal in meinem Leben umgezogen. Und das meist mit Leichtigkeit. Denn aus dem Circuswagen, in dem ich während meiner Praktikums- und Ausbildungszeit gewohnt habe, auszuziehen ging eigentlich ganz schnell, leichtes Gepäck quasi, und dann habe ich einfach in den weiteren Jahren nicht viele Sachen dazu gesammelt, auch nicht, als ich in einer Wohnung oder einem Haus gewohnt habe. Gut, ein paar mehr Möbel als auf 18qm waren es dann schon, aber nicht so viele. Ich bin keine Sammlerin. Jedenfalls keine von Dingen. Ich sammle mehr Worte, Bilder und Erinnerungen. Was unter die Haut geht, bleibt im Gedächtnis. Sagt mein Lieblingshirnforscher. Und mein body, wo sie ja dann abgespeichert sind, gehört ja mir und ist always da, wo ich bin. Sehr praktisch. Solange ich bin.

Apropos body: Neulich knallte es. Sehr laut. So laut, dass es sogar im Unterdorf zu hören war, wie mir später erzählt wurde. Ein Autocrash an unserem Kirschbaum. Die Fahrerin war sichtlich geschockt, die Airbags überall geöffnet, darunter waren zwei Kindersitze zu erkennen. Es qualmte und weil ich ja doch manchmal TV watche, dachte ich nur: Sofort alle rausholen. Bevor es brennt, falls es brennt. Eine Einstellerin rief die 112 an. Und während ich da so die Kinder aus ihren Kindersitzen befreite, hörte ich plötzlich eine Männerstimme im Auto: „Wo sind sie denn?“ Mein Gehirn im Adrenalinmodus erinnerte sich an meinen Unfallassistenten, den man mir beim Kauf meines Autos so erklärt hatte: Das Auto bzw. die Elektronik meldet den Unfall an eine 24/7 besetzte Einsatzstelle. Die rufen mich an. Erreichen sie mich nicht, schicken sie gleich die ganze Kavallerie. Er hat die Fahrerin erreicht. Die war aber jetzt außerhalb des Autos und stand völlig neben sich. Also spreche ich jetzt mit dem Unbekannten, während ich zwischen Airbags und Kindersitzen und Qualm hantiere und unsere Adresse und was geschehen ist durchgebe. So ist das also dann – krass.

Long story short: Feuerwehr, Krankenwagen, Polizei. Die Bescheider Feuerwehr meint, ich solle doch nicht mehr die 112 wählen, wir wüssten ja, wo wir sie finden. Ich finde, sie können auch mal für Kaffee und Kuchen vorbeikommen, es muss ja nicht immer gleich so dramatisch sein.

Und es ist so ein gutes Gefühl, dass immer alle da sind. Sofort. Danke. Danke. Danke. Der Fahrerin und ihren Kindern geht es so weit gut, Schreck, Schleudertrauma, Halskrause, zum Glück nicht mehr. Und das Mädchen aus dem Kindersitz auf der Rückbank möchte auch direkt wieder zu Lucky, dem Pony, aber dann bitte ohne den lauten Knall.

Dem Baum sieht man nichts an, außer, dass ein paar Äste vom Aufprall heruntergefallen sind. Ansonsten ist er standhaft, der alte Kirschbaum vor der Reithalle. Ich glaube, er hat auch schon viel erlebt unter seiner Rinde. Und verhindert, dass das ungebremste Auto mit seinen Insassen sonst wo gelandet wäre.

Beim späteren Gespräch mit meinen jungen Mitarbeitenden über das Erlebte klären sie mich auf, wie meine nächste Stellenausschreibung für das Centrum sein sollte: „Du suchst Action und Abenteuer? Du liebst Abwechslung? Du bist flexibel und spontan? Dann komm zu uns.“ Wir fragten uns, ob es eigentlich was mit uns zu tun hat, dass hier immer so viel los ist, auf der farm mit den ganzen animals like horses and ponies and dogs and cats. Eine FÖJ – lerin meinte, dass die Dinge ja sowieso geschehen. Und wenn sie dann bei uns geschehen, können wir helfen. Und dann es ist nicht so schlimm. Word.

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