23.09.2018 Das ist er also, mein Hof. Wie in diesem einen Traum von neulich sieht er ja schon aus. Aber irgendwie nicht so, wie ich ihn mir vorgestellt oder vielmehr gewünscht hatte. Hm. Es stürmt, es ist nass und es ist der beste Tag, um sich kennenzulernen. Bei Sonne und schönem Wetter sieht es ja in jeder Beziehung easy aus. Wenn die Welt drumherum unterzugehen scheint, zeigt sich ja erst, was wirklich Bestand hat. Und ob es funktioniert. Ich glaube, das wende ich auch auf meinen zukünftigen Hof an. Ob das Dach hält, wohin das Wasser fließt, was sonst noch so geht. Oder eben nicht.
Der Nochbesitzer zeigt mir alles. Er hatte mich angerufen, letzte Woche. Weil er weiß, dass ich auf der Suche bin. Und er hat sich entschieden zu verkaufen. Ein Geheimanruf quasi. Denn wenn erst Mal erzählt wird, ist es für alle anstrengend. So bin ich also in geheimer Mission hier. Und finde das alles ganz schön aufregend. So viele Höfe und Möglichkeiten habe ich mir bereits angeschaut, so viel hat bisher nicht gepasst.
Ich dachte ja früher immer, das Wichtigste ist, das Geld zu verdienen. Heute weiß ich: Es muss auch jemand verkaufen wollen. Und es muss passen: Zu meinem Konzept, zu mir, zu meinen Möglichkeiten. Und es wäre sinnvoll, wenn der Hof ungefähr da ist, wo ich gerne sein möchte. Ganz schön viele Parameter. Denn es soll ja erst Mal für immer sein.
Aus meiner ersten große Hofliebe 2016 ist ja dann doch nichts geworden. Wir konnten uns finanziell nicht einigen, der Nochbesitzer und ich. Dass mein gesamtes Vorhaben ein risikoreiches Finanzprojekt ist, ist mir schon klar. Da brauche ich nicht noch monetäre special tools, die mich noch weit mehr unter Druck setzen. Also habe ich nein gesagt und hatte erst Mal Liebeskummer.
Während meiner Schulzeit habe ich Nachhilfe gegeben, gebabysittet, im Feinkostgeschäft und bei Inventuren im Baumarkt gearbeitet und all so was. Nach der Ausbildung habe ich mich direkt selbständig gemacht und war irgendwie immer fleißig, um Geld zu verdienen. Ich war völlig zuversichtlich, dass die Millionen irgendwann zu mir kommt. Gut, heute weiß ich, das hätte ich auch anders machen können. Zum einen habe ich aber es aber mal so in meiner Familie gelernt also arbeiten = Geld kommt und zum anderen wäre ich ja dann auch nicht die, die ich jetzt bin. Es ist wie es ist. Irgendwie wusste ich auch, dass Lottospielen nicht die einzige Lösung sein kann, um mehr aus dem verdienten Geld zu machen. Kann man machen, könnte auch funktionieren, aber da verlasse ich mich dann doch lieber nicht drauf. Mein Ex hat immer zu mir gesagt, ich sei verrückt. Wo soll die denn herkommen, Deine Millionen? Keine Ahnung habe ich ihm geantwortet, aber die kommt, warte ab. So habe ich dann irgendwann meinen kleinen dreckigen Peugeot mit meiner Lieblingshündin Lyca auf der Rückbank auf dem Parkplatz der Bank geparkt. Und bin mit Termin zu einem Gespräch gegangen. Mit dem Gefühl und dem Gedanken: Das hier wird jetzt der Anfang oder das Ende. Wenn ich hier wieder rauskomme, weiß ich, wo ich heute stehe.
Als ich das Bankgebäude wieder verlasse stelle ich fest, dass ich vor lauter Aufregung versehentlich auf dem Vorstandsparkplatz geparkt habe. Fühlt sich gut an. Der hat mir nämlich gerade gesagt, dass mein Plan einen Hof zu kaufen der nächste logische Schritt für mein Unternehmen sei. Und ich mal alle Unterlagen einreichen solle und wir dann sehen, was geht. Meine Ideen findet er glaubwürdig. Und mich auch.
Und jetzt bin ich also hier auf diesem Heuboden. Das war es zumindest mal. Heute ist es eher eine Aufbewahrungsstätte der Dinge so einiger ehemaliger Hofbesitzer- und Bewohner*innen: Verlassene Buchführungsordner, alte Stühle und Tische, Pferdeequipment und alles Mögliche wartet hier. Auf was weiß wohl niemand so genau. Da könnte ich eigentlich auch gleich nach dem Kauf einen Trödelmarkt veranstalten. Oder wir holen Container, öffnen die Fenster und räumen die Vergangenheit raus.
Ich bin erneut verliebt. In einen Raum, der grau und riesengroß, hoch, staubig, ziemlich verlassen und voller Erinnerungen an längst vergangene Zeiten ist. Mich beschleicht das Gefühl, dass ich hier meine Erfüllung finde oder über dieses Projekt pleitegehe. Wir werden es erleben. Wenn ich es versuche.
23.09.2022 Vier Jahre später. Der erste Gesundheitstag der umliegenden Land- und Amtsgerichte aus der Region findet bei uns statt. Alle lieben den Seminarraum. Sagen sie zumindest. Und ich glaube ihnen. Ich liebe ihn auch. Sehr. Mit achtzehn Teilnehmenden starten wir heute zu Entspannung, Yoga und in einen Workshop. Nach einem Mittagessen an der Draußentafel neben unserem schnuckeligen Circuswagen findet eine Wanderung im schönen umliegenden Hochwald und Achtsamkeit mit Pferden statt. Paco und ich feiern genau heute unser vierjähriges Kennenlernen. Denn er ist geblieben. Meine Hundeliebe auf den ersten Blick. Hat sich so ergeben. Wie so vieles im Leben.